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Schule aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Das Dilemma unseres Schulsystems lässt sich vielleicht ein wenig besser begreifen, wenn man es betriebswirtschaftlich abstrahiert.

Ein Produkt (Schüler) wird in verschiedenen Produktionsstandorten (zentral: Schule, Elternhaus) veredelt. Der Veredelungsprozess an sich wird nur für einige Produktionsstandorte (Schulen) von der Konzernzentrale (Ministerium) festgelegt. Entscheidungsfreiheiten bzw. Optimierungsmöglichkeiten der lokalen Produktionsstätten (Schulen) sind eingeschränkt. Der Absatzmarkt (Industrie, Handwerk, Universitäten) ist mit diesem Produkt nicht zufrieden, hat jedoch keine Möglichkeit, einen anderen Anbieter zu wählen, da ein Monopol vorherrscht.
Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland, wo teilweise bessere Veredelungsprozesse erfolgen (z. B. in Finnland), ist aufgrund der Immobilität des Produktes nicht möglich. Eine Anpassung der Produktveredelung seitens des Herstellers erfolgt nicht, da man aus diesen und jenen Gründen nicht auf historische Produktionsprozesse (Frontalunterricht, Hausaufgaben, Halbtagsunterricht, Dreigliedrigkeit) verzichten kann bzw. möchte und aufgrund fehlender Erfahrungen im Markt das Verständnis für die Marktanforderungen fehlt. Dabei wird teilweise auch nicht verstanden, warum höherwertige Produkte (Abiturienten), die nach Ansicht des Herstellers für ein bestimmtes Marktsegment (Universität) veredelt wurden, dann doch in einem anderen Marktsegment (Industrie, Handel) Verwendung finden und daher auch einer anderen Art der Veredelung bedürfen.
Diese Nachfrage erklärt sich jedoch daraus, dass bereits in einer frühen Phase der Produktion am Rohprodukt entschieden wird, in welcher Qualitätsstufe (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) die weitere Veredelung erfolgen soll. Dabei sind die Parameter dieser Einstufung unvollständig und intransparent. In der Folge führt dies dazu, dass Produkte nicht in ausreichender Menge in der benötigten Qualität produziert werden, sodass die Nachfrage auf die höchste Produktqualität fokussiert ist.
Die Produktionsstandorte „Schule“ und „Elternhaus“ sind zwar rudimentär miteinander vernetzt, stimmen sich aber nur bedingt über den Gesamtprozess ab. Über die notwendige Aufgabenteilung ist man sich uneins, Kommunikationsprobleme und konträre Ansichten über die Tätigkeiten des jeweils Anderen hemmen die Optimierung. Dabei versucht jede der Produktionsstätten eine andere, häufig nicht abgestimmte Art der Veredelung des Produkts zu praktizieren, um die vermeintlichen Versäumnisse des Anderen auszugleichen, was teilweise die Bemühungen der jeweils anderen Produktionsstätte konterkariert. Dabei dreht sich das Produkt im Kreis, bis ihm schwindlig wird.
Da es sich bei dem zu veredelnden Objekt um ein hochwertiges Naturprodukt handelt, wäre hier eine individuellere, spezifische Veredelung vonnöten. Diese erfolgt jedoch – mehr oder minder qualifiziert – lediglich in einem Teil der Produktionsstätten (Elternhaus). Jedoch bemüht man sich neuerdings auch in den weiteren Produktionsstätten (Schulen) im begrenzten Maß darum, eine Einzelveredelung durchzuführen (Förderkurse), scheitert indes häufig aufgrund der von der Konzernleitung vorgegebenen Fertigungslosgröße (Klassenstärke) und der knapp bemessenen Produktionszeit (G 8, Halbtagsunterricht).
Falls ein Produkt die Qualitätsprüfung einer Produktionsstufe (Versetzung) nicht besteht, durchläuft es diese Produktionsstufe erneut. Bei wiederholt negativen Prüferergebnissen besteht die Möglichkeit der Fortsetzung des Produktionsprozesses in einer niedrigeren Qualitätsstufe (Schulwechsel). Theoretisch gibt es am Ende des Veredelungsprozesses einer niedrigen Qualitätsstufe auch die Möglichkeit der Weiterveredelung in einer höheren Stufe (gymnasiale Oberstufe). Aufgrund der unterschiedlichen, nicht kompatiblen Veredelungsprozesse der verschiedenen Qualitätsstufen ist dies jedoch ein schwieriges Unterfangen und kann nur von wenigen handverlesenen Einzelprodukten erfolgreich abgeschlossen werden.
Die an der Produktveredelung Beteiligten haben sehr unterschiedliche Qualifikationen, Erfahrungen und Ausbildungsstände. Ein Personalentwicklungsprozess, der die Qualifikation harmonisieren würde, existiert nicht in ausreichenden Umfang.
Die bereitgestellten Produktionsmittel (Gebäude, Mobiliar, Gerätschaften, Bücher) sind häufig nicht mehr auf dem neuesten Stand, da die investiven Mittel nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. Teilweise werden die notwendigsten Erneuerungen oder Reparaturen durch die Produktionsbeteiligten (Lehrer, Eltern, Schüler) selbst notdürftig durchgeführt (z. B. Malerarbeiten).
Der Absatz des Konzerns ist immer noch akzeptabel, da aufgrund des Monopols die Produkte in ausreichender Menge (Arbeitslosenquote) nachgefragt werden. Auf zentrale Bereiche wie Marketing, Vertrieb oder Controlling wird aufgrund des Monopols und des ungebremsten, quasi garantierten Absatzes weitgehend verzichtet.
Der Ausschuss der Produktion (Schüler ohne Schulabschluss) kann zu einem späteren Zeitpunkt nachveredelt werden (Schulalternativen) oder wird endgelagert (Hartz IV).
Eine Optimierung des Fertigungsprozesses erfolgt nicht, da die Aufgabe offenbar zu komplex für die vorhandene Qualifikation des Konzernmanagements ist und die investiven Mittel fehlen. Darüber hinaus hat das Management Angst vor dem Scheitern, da dies zur Konsequenz haben könnte, dass die Konzernleitung vom Aufsichtsrat (Wähler) ausgetauscht wird. Um Verantwortung für die Produktqualität zu demonstrieren, werden regelmäßige zentrale Qualitätskontrollen (z. B. Lernstandserhebungen) durchgeführt. Für die vielfach unbefriedigenden Ergebnisse werden dann wechselseitig die Rohstoffqualität oder die Qualifikation der Fertigungsmitarbeiter (Lehrer oder Eltern) verantwortlich gemacht. Die Konzernleitung (Ministerium) und die Produktionsleitungen (Schulleiter) sehen dann regelmäßig die Notwendigkeit, steuernd eingreifen zu müssen. Da dies jedoch nicht konzertiert oder gar umfassend erfolgt, sind die jeweils folgenden Ergebnisse auch nicht wesentlich besser. Letztlich sieht sich der Abnehmer dann in die Situation versetzt, die Veredelung auf eigene Kosten durchführen zu lassen, was wiederum auch zeitintensiv ist.

Fazit: Dieses System ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Desaster. Auf dem freien Markt würde ein so wirtschaftendes Unternehmen nach kurzer Zeit zusammenbrechen und Insolvenz anmelden, um dann aus dem Handelsregister getilgt zu werden.
Es fehlt eine Steuerung durch den Markt, da das Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt wird und für den Betrieb des Systems kein Preis erlöst werden muss.
An dieser Stelle hinkt dann leider der Vergleich mit der als Referenzraum dargestellten Modell, da wichtige Marktdeterminanten fehlen.
Weshalb er denn auch nicht zu ernst genommen werden sollte.
oi.